Vor fünf Jahren tauchten in einer Ecke Deutschlands plötzlich gewisse Viren auf, denen wir uns zunächst noch kühn Karneval feiernd entgegenstellten, bis sie der Grund dafür wurden, dass wir die Grundrechte und die Menschlichkeit abschafften.
Und nun sind es Drohnen, die hier und da auftauchen, nicht ganz zu fassen, eine seltsame Bedrohung von oben über unseren Köpfen. Über ihren Ursprung scheint man sich allzu schnell einig, auch wenn niemand wirklich weiß, was da gerade wirklich geschieht. Wieder ist es eine diffuse Bedrohungslage, die allenthalben in den Medien verkündet wird, mit dem Potential uns alle zu vernichten, wie zu keiner Zeit versäumt wird zu betonen. Drohnen kann man zwar sehen, im Gegensatz zu Viren, aber sie sind auch etwas Neues wie jene Laborviren, eine bisher so nicht gekannte Gefahr, von mysteriöser Herkunft. Da schwebt wieder etwas in unseren Alltag, bereit diesen völlig zu verändern. Und schon wieder wird allzu schnell von einem Ausnahmezustand, dem Spannungsfall, fabuliert, der es erlaubt in kürzester Zeit Eingriffs- und Organisationsmöglichkeiten des Staates auf drastische Weise zu erweitern, um Land und Bevökerung für den Verteidigungsfall mobil zu machen. Was so abstrakt klingt, hätte direkte Auswirkungen auf den Alltag, denn der Spannungsfall bedeutet Kriegsvorbereitung. LKW-Fahrer könnten verpflichtet werden, Treibstoff für die Bundeswehr zu transportieren, statt Waren zu Supermärkten zu bringen. Familien könnten aufgefordert werden, ihre Wohnungen für Soldaten bereitzustellen. In Grenzregionen könnten Sperrzonen errichtet werden, die Zivilisten nicht mehr betreten dürfen. Reisewege könnten beschränkt und Vorräte rationiert werden. Es beinhaltet die Möglichkeit, die Bundeswehr gegen Aufständische im Inneren einzusetzen, Telefone abzuhören und ein Notparlament zu installieren.
Die Eingriffstiefe des Staates wird enorm erhöht, die Freiheitsrechte der Bürger werden massiv eingeschränkt. Der Spannungsfall ist rechtlich unbestimmt, da er im Grundgesetz nicht definiert ist - die Schwelle ist also eine politische Prognose mit entsprechendem Streitpotential. Kennen wir das nicht? Bei wem klingelt es hier nicht?
Pandemische Notlage und Spannungsfall scheinen in ihren Folgen für die Bevölkerung nicht so weit auseinanderzuliegen. In beiden Fällen kommt es zu einer erheblichen Belastung für Unternehmen, Verwaltung und zivile Dienste.
Reichen ein paar Drohnen wirklich aus, um solch einschneidende Maßnahmen zu fordern, wie es kürzlich Kiesewetter als unbedingt notwendigen Schritt forderte? Hat die Politik die Demokratie endgültig in ihren letzten Resten beerdigt, indem sie den Willen des Souveräns komplett ignoriert, der zu einem großen Teil gegen die immer weitere Militarisierung und Berliner Kriegsbesoffenheit ist?
In einem Land, dessen Wirtschaft sich in rasantem Niedergang befindet, in dem die AfD zunehmend in Umfragen an der Spitze steht, in dem sich die Bürger zunehmend weniger sicher fühlen, in dem das Misstrauen in die Politiker ein nie gekanntes Ausmaß annimmt und in dessen Bevölkerung tiefe ungeheilte Wunden durch die Maßnahmen der Coronazeit klaffen, scheint so ein Spannungsfall eine gute Ablenkung zu sein. Wieder ist Angst das große Machtinstrument, es wird fleißig mit dem kollektiven Unbewussten gespielt, indem wieder einmal vom bösen Russen schwadroniert wird, völlig vergessend, wie viele Russen durch die Nazis umgekommen sind. Einer Bevölkerung, die seit Ausrufen der pandemischen Notlage vor fünf Jahren kaum zur Ruhe gekommen ist, mussten doch, kaum war jenes Todesvirus von der Bühne abgetreten, unsere westlichen Werte in der Ukraine verteidigt werden, nun zu suggerieren, dass wir uns kurz vor einem Krieg mit Russland befinden, streut Salz in offene Wunden. Viel zu wenig ist unsere Geschichte des letzten Jahrhunderts wirklich aufgearbeitet, wie die Coronazeit uns so deutlich vor Augen geführt hat. Menschen permanent in Angst zu halten durch das Suggerieren lebensbedrohender Szenarien, seien Viren, das Klima oder Drohnen der Auslöser, ist eine Form von psychischer Folter. Leben wird dann zu einem Überleben und all die Erlebnisse aus den letzten beiden Weltkriegen, die noch in der DNA von uns allen leben, werden unweigerlich getriggert.
Vor einigen Jahren führten wir Krieg gegen einen Virus, nun sollen wir echten Krieg führen. In völliger Geschichtsvergessenheit und in völliger Ignoranz davon, dass heutige Atombomben, wie sie die USA und Russland besitzen, noch viel größere Sprengkraft als jene von Hiroshima haben und Europa in Sekunden auslöschen könnten, wird verbal immer weiter aufgerüstet, als würden wir immer noch allein mit Schwertern auf dem Schlachtfeld stehen.
Jener ominöse Spannungsfall wurde im Jahr 1968 als Teil der Notstandsverfassung verabschiedet. Seit Ende der 50er Jahre wurde im Kontext des Kalten Krieges über entsprechende Änderungen diskutiert, doch Widerstände in der SPD, in den Gewerkschaften und in der Zivilgesellschaft verhinderten eine Einigung. Erst die große Koalition unter Kiesinger verfügte über die notwendige Zweidrittelmehrheit und brachte das Vorhaben durch den Bundestag, begleitet von massiven Protesten.
Berühmt geworden ist jener Satz von Willy Brandt: „Wer einmal mit dem Notstand spielen sollte, um die Freiheit einzuschränken, wird meine Freunde und mich auf den Barrikaden zur Verteidigung der Demokratie finden, und dies ist ganz wörtlich gemeint.“
Bitte, lasst uns alle auf die Barrikaden gehen, um die Demokratie wiederzubeleben und um gemeinsam für den Frieden einzustehen.