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Den Krieg beenden

Man mag ratlos, ja manchmal ohnmächtig vor den kriegerischen Entwicklungen der Gegenwart stehen – und damit meine ich nicht nur eine neu entbrannte, verstörende politische Kriegsbesoffenheit, sondern auch jenen anderen Krieg, der mehr oder weniger offensichtlich geführt wird – der Krieg gegen menschliche Körper, gegen Tiere, die Erde, gegen Andersdenkende, das Unliebsame, das vermeintlich Intolerante, gegen den Geist.

Man zieht in diesen Zeiten gegen alles ins Feld – gegen die Sprache, der man ein ideologisches Mäntelchen überstülpen will, gegen die falschen Pflanzen im Garten, gegen die falschen Heizungen, die falschen Autos, das falsche Essen, die falschen Wähler, die falschen Parteien... (eine endlos fortzuführende Liste).

Überall lauern die Zeitgenossen, die so genau wissen, was richtig und falsch ist, und die sich selber ausgiebig für ihr ‚Auf-der-richtigen-Seite-stehen’ feiern. Unser Zeitalter gibt sich hypertolerant und woke – niemand soll diskriminiert werden, niemand soll sich unwohl fühlen – und ist zugleich hochaggressiv. Wir heften überall Triggerwarnungen an, damit niemand plötzlich Unwohlsein verspüren müsste, und sorgen zugleich dafür, dass all jene, die irgendwie anders denken und handeln schnellstmöglich aus dem Diskurs, der Gesellschaft entfernt werden. Wir betreiben Cancel Culture der härtesten Gangart und finden uns zugleich weltoffen, superqueer, demokratisch und sonst noch alles.

Der Widerspruch, dass in Corona-Zeiten Kritiker gnadenlos diffamiert und ausgegrenzt wurden, während wir zur selben Zeit uns über Faschingskostüme aufregten, die bestimmte Ethnien beleidigen könnten, störte uns nicht. Wir haben die Mauer mitten durch uns selbst hindurch gezogen: da ist das Gute, da sind wir tolerant bis zum Abwinken, und da ist das Böse, dagegen führen wir Krieg.

Wir sind Schafe im Wolfspelz. Wir tragen Regenbogenfahnen durch die Fußgängerzonen und skandieren für mehr Waffen für angeblichen Frieden. Wir verachten die Rechten, die Hass schüren, und halten Schilder hoch: Tötet die Rechten.

Die Welt in Schwarz-Weiß, reduktionistisch und materialistisch. In Grautönen könnte man sich ja verirren – man könnte plötzlich sich nicht mehr so sicher sein, was richtig und falsch ist. Man sagt, menschliche Reife bestehe unter anderem darin, Ambivalenz ertragen zu können. Ambivalenz – was ist das?

Die ganze Gesellschaft leidet an einer Persönlichkeitsstörung, befindet sich in einem Zustand pathologischer Spaltung. Wer spaltet, muss Krieg führen, muss jenes Ungeliebte in sich auf das Außen projizieren, um es dort zu bekämpfen, ja zu vernichten.

Wie viele Jahre, Jahrzehnte werden schon Kriege geführt, die niemand so bezeichnen würde? In den Corona-Jahren wurde Krieg gegen ein Virus geführt, das man ausrotten wollte, koste es, was es wolle – Politiker und Medien griffen zu markigem Kriegsvokabular. Krieg gegen Viren und Bakterien zu führen, ist keine neue Angelegenheit. Der Großteil der modernen Medizin basiert auf der Idee Krieg zu führen – gegen den menschlichen Körper, die Seele und letztlich den Geist. Krankheiten sollen besiegt werden, werden als Feinde gesehen – sei es eine Krebserkrankung oder eine Angststörung. Doch was passiert, wenn etwas zum Feind erklärt wird, was der eigene Körper, die eigene Seele selber produziert hat?

Die Menschen führen Krieg gegen sich selbst, oft ohne es zu merken. Statt zu verstehen, zu lernen, sich zu entwickeln, geht es um Vernichtung unliebsamer Symptome, die eigentlich nur ein Ausdruck davon sind, dass wir uns zutiefst von uns selbst entfremdet haben.

In einer Gesellschaft, in der vor allem Leistung und Konformismus zählen, in der es ein Wert ist ‚normal’ zu sein, muss alles bekämpft werden, was anders ist, was am tadellosen Funktionieren hindert, was durch das Raster fällt. Selbst der natürliche Zyklus der Frau mit der monatlichen Regelblutung, die für ein paar Tage für weniger Leistungsfähigkeit sorgt, muss dann bekämpft und unsichtbar gemacht werden – für einen hohen Preis.

Die Welt, von der uns täglich erzählt wird, ist eine dem Untergang geweihte Welt, in der es schwer ist, die so nötige Hoffnung zu kultivieren. Untergangsszenarien werden geradezu frenetisch besungen – je apokalyptischer, desto besser. Eine last generation ist überzeugt davon, dass die Zerstörung jahrhundertealter Kunstwerke den Weltuntergang noch abwenden kann. Es wächst eine Generation von Kindern und Jugendlichen heran, die es gelernt hat, sich permanent bedroht zu fühlen. Uns wird täglich erzählt, dass wir von Katastrophen umgeben sind – die Klimakatastrophe, ein drohender dritter Weltkrieg, eine Energiekrise, mal abgesehen von sonstigen Pandemien.

Menschen in Angst und Schrecken kann man besonders gut manipulieren und zu willfährigen Bürgern machen, die sich widerstandslos gefährliche Genspritzen geben lassen, die sich Wärmepumpen einbauen, E-Autos fahren und darauf achten, dass sie ‚richtig’ sprechen.

Wo bleibt da das Schöne dieser Welt in all diesem dunklen Chaos? Wo bleibt die aufgehende Knospe der Rose, das Lächeln der alten Frau, die stille Begegnung von zwei Menschen, all jene Momente von Glück, von Liebe?

Wer Krieg führen will, will keine Visionen eines Lebens erfüllt von Liebe und Frieden. Der Krieg wird uns als alternativlos verkauft, sei es jener in der Ukraine oder jener gegen uns selbst. Die moderne Medizin pflanzt reißerische Worte in die Welt: Sie müssen den Krebs besiegen – Sie dürfen sich nicht von ihrer Krankheit beherrschen lassen. Die Landwirtschaftsindustrie führt Krieg gegen die Erde, indem sie diese ohne Rücksicht ausbeutet, alles aus ihr herauspresst und sie zugleich mit Pestiziden vergiftet. Die industrielle Massentierhaltung führt Krieg gegen lebende Wesen, die sie gnadenlos als Schlachtvieh zusammenpfercht, um den maximalen Profit daraus zu schlagen.

Und all jene, die Krieg gegen menschliche Körper, gegen Tiere, die Erde führen, die immer mehr Waffen fordern, vergessen, dass wir in all dem immer Krieg gegen uns selbst führen. Es wird so getan, als hätte alles nichts miteinander zu tun - doch überall, wo wir der Welt in irgendeiner Form Leid antun, tun wir uns selber Leid an.

Wie können wir diesen allgegenwärtigen Krieg beenden?

Vielleicht zuerst indem wir beginnen ihn zu verstehen, indem wir seine verborgenen Formen erkennen. Und vor allem, indem wir damit beginnen den Krieg gegen uns selbst zu beenden, gegen unseren Körper, gegen unsere Gefühle, gegen unsere geistigen Quellen. Statt Krankheiten einfach ‚weghaben zu wollen’, können wir anfangen ihnen zuzuhören, zu verstehen, was sie uns erzählen. Statt dem Narrativ des ewigen Kampfes zu folgen, in dem es immer Verlierer geben muss, können wir beginnen all jenes, was wir nicht wollen, was uns stört, uns nicht gefällt, anzusehen. Denn die Welt, unsere Körper, unsere Seelen – sie erzählen uns alle Geschichten. Es ist der große Impuls zu lernen und sich zu entwickeln und damit die Möglichkeit zu gestalten. Daher brauchen wir keine Untergangsszenarien, die uns permanent mit Katastrophen beschallen, sondern Geschichten, die uns unsere Kraft und Liebe erkennen lassen, und die davon sprechen, wie wir gemeinsam eine friedliche Zukunft erschaffen können.