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Demokratie im Lockdown?

Wenn man derzeit diverse Politiker oder auch Journalisten reden hört, so hat man den Eindruck die Demokratie sei ein rohes Ei. Man müsse sie um jeden Preis schützen, - (was auch immer das genau im Einzelnen bedeuten mag) – so ähnlich wie wir uns während der Corona-Zeit um jeden Preis vor einem Virus schützen sollten und mussten, gleichgültig welche Kollateralschäden im Schlepptau dabei waren. Der wehrhaften Demokratie ist offenbar nichts mehr zuzumuten: keine offene Debatte, keine Opposition, kein rauher politischer Wind.

In diesen Tagen steht das sog. „Demokratiefördergesetz“ vor der Verabschiedung im Bundestag. Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD und Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen dringen darauf, dieses Gesetz, das 2022 beschlossen wurde, möglichst schnell zu verabschieden, doch es gibt diverse Kritiker. Demokratiefördergesetz klingt doch erst einmal gut, oder? Wer wäre nicht dafür, die Demokratie zu fördern ( - auch wenn man fragen könnte, ob eine funktionierende Demokratie Förderbedarf hat)? Es gibt etliche kritische Stimmen zu diesem Gesetz – so sagt Kubicki, es sei nicht Aufgabe des Staates, gesellschaftliche Vielfalt zu gestalten und fügt hinzu, die Idee, dass entscheidungspolitische Träger nach eigenem Empfinden bestimmen, welche gesellschaftliche Gruppe wertvoller, welche gesellschaftliche Strömung schützenswerter sei, nichts mehr mit Demokratie zu tun habe. Der Journalist Norbert Häring geht noch weiter, wenn er sagt, dass dieses Gesetz dazu diene, Oppositionsparteien und oppositionelle Medien zu bekämpfen, da es vage bis gar nicht definierte Begriffe wie ‚Hass und Hetze im Netz’, ‚Verschwörungsideologien’, ‚Wissenschaftsleugnung’ und ‚Delegitimierung des Staates’ enthalte. Aus Corona-Zeiten wissen wir ja, wie schnell alles, was nicht zum gängigen Narrativ passt, mit solchen Schlagworten diffamiert wird. Der Bildungsphilosoph Matthias Burchardt von der Universität Köln stellt fest: „Wahre Demokraten sollten sich dem Meinungsstreit gewachsen fühlen, anstatt Opposition zu kriminalisieren.“

Es erweckt wieder einmal den Eindruck, als würde hier ein Gesetz erschaffen, dass der Erziehung der Bürgerinnen und Bürger dienen soll. Denn die Politiker verstehen sich ja spätestens seit Corona-Zeiten als Erziehungsbeauftragte des Volkes.

Also, was bedeutete noch einmal Demokratie? Im Netz findet man Demokratie einfach für Kinder erklärt:

„Wir leben in einer Demokratie“ hört man oft. Das soll heißen, dass die Menschen in unserem Staat in Freiheit leben. Alle dürfen ihre Meinung frei sagen. Die Gesetze in einer Demokratie gelten für alle Menschen. Alle Bürger und auch der Staat müssen sich an die Gesetze halten. In freien Wahlen entscheiden die Menschen, von wem sie regiert werden wollen. Und wenn sie mit der Regierung nicht zufrieden sind, können sie bei der nächsten Wahl eine andere Regierung wählen.“

Klingt gut, wird nicht immer so ganz eingehalten und ist nicht ganz so einfach, wie es sich anhört. Laut aktueller Umfragen sind es nur noch 40% der Menschen in Deutschland, die der Auffassung sind, man könne seine Meinung hierzulande frei äußern, und diese Zahl sinkt in den letzten Jahren stetig. Andere Umfragen ergeben, dass mittlerweile jeder zweite Hemmungen hat, seine Meinung frei zu äußern.

Demokratie bedeutet die Herrschaft des Volkes – des Souveräns. Die Volkssouveränität ist in allen Demokratien verfassungsrechtliches Prinzip und bedeutet, dass höchste Gewalt im Staat und oberste Legitimität das Volk ist.

So weit, so gut. Doch wie souverän fühlen sich viele Bürger in diesem Land noch, wenn ihnen von oben herunter verordnet wird, welche Heizung sie verwenden dürfen, welche Autos sie fahren müssen, ob sie ihren Garten wässern dürfen?

Vielleicht haben wir uns alle zu lange zurückgelehnt in der Sicherheit, dass wir in einer Demokratie leben und dass die Politiker das Schiff schon irgendwie schaukeln? Demokratie muss bekanntlich immer neu errungen werden – ist nichts, was einmal da ist und für immer bleibt.

Und vor allem ist sie keine Religion – sie ist nichts, woran man glauben kann, wozu man sich bekennen muss. Eine funktionierende Demokratie braucht Pluralismus: Meinungspluralismus, Parteienpluralismus und Interessenpluralismus. Sie steht für offene Debatten, für Auseinandersetzung, eben für Vielfalt.

Doch wie weit her ist es noch mit diesem Meinungspluralismus in unserer Zeit, wenn in verschiedenen Fragen nur noch ein Narrativ gelten darf und alle anderen Meinungen heftigst bekämpft werden, wenn unter dem Deckmantel eines Demokratiefördergesetzes gelenkt wird, welche Meinung noch gehört werden darf und welche nicht.

Es scheint so, dass Demokratie als heilige Instanz angerufen wird, ähnlich wie die Wissenschaft in Coronazeiten. Eine Instanz, an der gottgleich nicht gezweifelt werden darf im Sinne von: Ich bin der Herr, dein Gott, du darfst keine anderen Götter haben neben mir. Doch so wenig es ‚die Wissenschaft’ gibt, auch wenn man sich in Coronazeiten sehr darum bemüht hat, dem Stimmvolk einzubläuen, dass diese eben genau so existiere, so wenig gibt es ‚die Demokratie’.

Sowohl Wissenschaft als auch Demokratie brauchen die Auseinandersetzung verschiedenster Standpunkte, brauchen den Zweifel, die Fragen, um lebendig zu bleiben und das zu sein, was sie eigentlich sind.

Wenn nun seit Wochen viele Menschen auf die Straße gehen und gegen Rechts demonstrieren, glauben sie, sie seien im Dienste der Demokratie unterwegs. Doch wie demokratisch ist es, auf eine Demonstration gegen eine Opposition zu gehen, zu der von der Regierung aufgerufen wird, die selber aber mit ihrer unsäglichen Politik es überhaupt erst verursacht hat, dass diese ihrer Meinung nach zu bekämpfende Opposition so stark geworden ist?

Das Böse kommt stets im Gewand des Guten.

Das war in Coronazeiten zu sehen und zu erfahren, als es um eine aggressiv propagierte Injektion als angebliche Erlösung von der Pandemie ging. Das ist jetzt beobachten, wenn es um den angeblichen Schutz der Demokratie geht, deren Grundgedanken die wenigsten Politiker der derzeitigen Regierung verstanden zu haben scheinen.

Die vermeintlichen Demokratie-Retter, die die Demokratie vor rechten Angriffen bewahren wollen, sind die eigentlichen Demokratiegefährder, indem sie die Grundprinzipien der Demokratie dadurch aushebeln, dass sie jede Form von Opposition kriminalisieren und ausgrenzen.

Und so leben wir in Zeiten, in denen es verdammt schwer ist, jenen Wolf im Schafspelz zu erkennen, der mit Kreidestimme uns glauben machen will, dass wir für das Gute einstehen, wenn wir nur tun, was er will.

Wenn wir etwas für die Demokratie tun wollen, sollten wir uns nicht begeistert selbst auf Demonstrationen als diejenigen feiern, die auf der richtigen Seite stehen, sondern jeden Tag neu prüfen, ob jenes, was so gut und richtig klingt, auch tatsächlich gut und richtig ist oder ob wir uns nicht gerade wieder einmal im Schleudergang der Meinungswäsche befinden, in dem wir medial so lange gedreht werden, bis wir nicht mehr wissen, wo oben und unten ist, und froh sind, wenn uns danach jemand sagt, wo wir richtig stehen.

Wir können jeden Tag für eine starke Demokratie eintreten, wenn wir aufhören zu glauben, bestimmte Meinungen müssten bekämpft werden oder ganz verschwinden. Sprechen wir mit denen, deren Standpunkt uns empört. Reden wir mit denen, deren Meinung unsagbar erscheint. Begegnen wir uns in der offenen Debatte, in der konstruktiven Diskussion. Aber halten wir das aus?

Sind wir nicht zu sehr gewohnt, in kuscheligen Meinungsblasen uns ständig gegenseitig zu bestätigen? Haben wir uns nicht zu sehr eine Empörungskultur zugelegt, in der wir uns immer auf der richtigen Seite fühlen dürfen? Haben wir noch den Mut, dem Fremden, dem Anderen, jenem, was wir ablehnen, offen zu begegnen, ohne sogleich die Stempel aus der Tasche zu ziehen und jenes, womit wir uns nicht auseinandersetzen wollen, zu diffamieren, zu diskreditieren, auszugrenzen?

Wenn wir tatsächlich in einer Demokratie leben wollen, muss jeder von uns politisch sein, denn wie sollen wir sonst das sein, was eine Demokratie von uns erwartet?