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Bekenntniszwang für Künstler – das Ende der Kunstfreiheit

 Seit kurzem bekommen Künstler in Berlin kein Fördergeld mehr, wenn sie nicht bereit sind, ein Bekenntnis gegen Antisemitismus zu unterschreiben.

Es sollte selbstverständlich sein, dass man gegen Antisemitismus ist, so wie auch jede andere Art von Diskriminierung abzulehnen ist, also auch Islamfeindlichkeit, Schwulenhass oder Rassismus. Dass man für Menschlichkeit ist, für ein friedliches Miteinander von allen Menschen. Und natürlich haben wir in Deutschland eine besondere Verantwortung gegenüber dem jüdischen Volk, nachdem hier im letzten Jahrhundert ein unsäglicher Volkermord stattfand.

Nun preschen eilfertige vermeintliche Intellektuelle herbei, die sagen, man müsse dem Berliner Kultursenator Joe Chialo Anerkennung zollen, dass er diese Antisemitismusklausel verpflichtend eingeführt habe, die allerdings nicht verstanden haben, welche Büchse der Pandora man hier öffnet. So richtig jede Ablehnung von Antisemitismus sein mag, so falsch ist es, ein Bekenntnis politischer Gesinnung von Kunstschaffenden zu fordern und davon abhängig Gelder zu vergeben.

Es gibt die Kunstfreiheit, ein gesetzlich verankertes Grundrecht, das dem Schutz künstlerischer Ausdrucksformen dient. Das Bundesverfassungsgericht zählt die Kunstfreiheit zu den Kommunikationsgrundrechten und erachtet diese daher als wesentlich für die demokratische Grundordnung. Die Kunstfreiheit enthält das Verbot, auf Methoden, Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeiten einzuwirken, insbesondere den künstlerischen Gestaltungsraum einzuengen oder allgemeinverbindliche Regelungen für diesen Schaffungsprozess vorzuschreiben.

Nun behauptet Herr Chialo, es gebe ja die Kunstfreiheit, aber kein Recht auf kulturelle Förderung, was ein wenig zynisch anmutet, angesichts der Tatsache, dass die meisten Künstler auf Fördergelder angewiesen sind.

In der Verfassung der DDR stand, dass die Kunst, die Wissenschaft und die Lehre frei seien – bekanntlich stand diese Kunstfreiheit nur auf dem Papier und in der Praxis war die Kunst den Vorgaben der SED unterworfen.

Ein Bekenntniszwang gegen Antisemitismus mag lediglich ein erster Schritt sein, um die Kunstfreiheit einzuschränken – doch was kommt danach?

In einem Deutschland, in dem die Nazi-Keule allzu gern gegen alle geschwungen wird, die unliebsame Meinungen vertreten und sich gegen ein herrschendes Narrativ stellen. So schnell wie derzeit jedem Andersdenkenden und jedem Protestler unterstellt wird, er sei rechts, so schnell wird eine solche Antisemitismusklausel wie in Berlin missbraucht werden, um Kunst und Kultur als Sprachrohr der Politik zu installieren. Jeder Künstler, jede Künstlerin, der oder die dann regierungskritische politische Kunst macht, sich gegen ein herrschendes Narrativ stellt, wird sofort dem Antisemitismusverdacht unterliegen und keine Förderung mehr erhalten. Solche Tendenzen müssen augenblicklich unterbunden werden, weshalb jene Antisemitismusklausel in Berlin umgehend wieder abgeschafft werden muss.

Immerhin gibt es Protest aus der Berliner Kunstszene, man sieht die Kunstfreiheit in Gefahr. Ohne in den Diskurs mit den Künstlern zu gehen, hat Chialo einfach Fakten geschaffen – eine mittlerweile etablierte Vorgehensweise von Politikern, in der Coronazeit allzu gut eingeübt. Man führt Verbote, Pflichten und Zwänge ein, regiert von oben herunter oder einfach durch, und wundert sich dann, dass es Proteste gibt, dass die Unbeliebtheit der Regierung Höchstmaße angenommen hat, um dann im Nachhinein irgendwo doch ein kleines Gesprächsangebot unterzubringen, weil man doch kooperativ sei.

Wenn man schon einen Bekenntniszwang einführen will, um die Vergabe von Fördergeldern zu legitimieren, dann bitte nicht nur gegen Antisemitismus. Dann könnte man einfordern, dass sich jeder staatlich geförderte Künstler zu bekennen habe: zur Anerkennung der Klimakrise, zur Verwendung einer gendergerechten Sprache, zur Nicht-Teilnahme an etwaigen regierungskritischen Demonstrationen wie beispielsweise an den Querdenker-Aufläufen, zur Ablehnung von allem, was unter Verschwörungstheorie falle.... naja, da dürfte einem noch einiges mehr einfallen.

Alle jene, die einem solchen Bekenntniszwang Beifall klatschen, haben Demokratie nicht verstanden. Eine Demokratie muss andere, auch extreme Meinungen aushalten können. Statt moralische Keulen zu schwingen oder gleich Verbote zu schaffen, sollte man in den Dialog gehen, miteinander reden, streiten, debattieren. Doch der Dialog ist etwas, was die meisten in den letzten Jahren der Corona-Krise verlernt haben. Sie wollen lieber abwerten, verbieten, diffamieren, um sich nicht mit dem Kern des Problems beschäftigen zu müssen.

Seit Anfang Januar gab es im Netz einen offenen Brief, in dem sich Künstler gegen diese Bekenntnisklausel wenden, darunter etliche jüdische Künstler, mittlerweile von über 4000 Kulturschaffenden unterschrieben, allerdings ist er auf mysteriöse Weise wieder aus dem Netz verschwunden...