· 

Ich vergaß beinahe

War etwas? War da irgend etwas?

Schwamm drüber, alles vorbei, schauen wir nach vorn. Gibt genügend andere und neue Probleme.

Ich vergaß beinahe, weil niemand mehr darüber sprach, dass gesunde Menschen aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt wurden, dass es nur ein Jahr her ist, dass Ungeimpfte kein Restaurant, kein Konzert, kein Altenheim, kein Kaufhaus betreten durften.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass wir einander nicht mehr besuchen durften, dass der Staat uns vorschrieb, wie viele Menschen wir treffen und wie viele Ungeimpfte darunter sein dürfen.

War da etwas? Schwamm drüber.

Ich vergaß beinahe, dass ich als Künstlerin nicht systemrelevant war, Berufsverbot hatte, kein Geld mehr verdienen durfte, dass ich als Soloselbständige keine staatlichen Hilfen bekam und dass das dann eben mein Problem war. Ich vergaß beinahe, dass viele meiner Kollegen Depressionen bekamen, weil der Staat entschieden hatte, dass ihre Arbeit als Tänzer, Sängerin, Kleinkünstler unwichtig ist, dass sie irrelevant sind.

War da etwas? Da war doch gar nichts, war doch nicht so schlimm.

Ich vergaß beinahe, dass mir verboten wurde, nach 22 Uhr spazierenzugehen, das Haus zu verlassen, dass die Polizei patrouillierte und ich einen triftigen Grund haben musste, um mich frei zu bewegen, und dass andere entschieden, ob meine Gründe triftig seien oder nicht.

War da etwas? Ist doch alles vorbei. Hat doch keiner mehr Lust hinzuschauen.

Ich vergaß beinahe, dass wir nicht mehr in die Kirche gehen durften, dass das Grundrecht auf freie Religionsausübung ausgesetzt wurde, dass in dieser Zeit der Not und Verzweiflung die Orte des Trostes geschlossen wurden.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass wir nicht ohne Maske rodeln durften, dass Polizisten die Rodelhänge stürmten, weil jemand unmaskiert dem Wintervergnügen nachging.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass wir unsere alten Eltern nicht mehr im Alten- und Pflegeheim besuchen durften, ihre Hand nicht halten durften, als sie Angst hatten und einsam waren, dass die Alten- und Pflegeheime zu einem Knast mit Isolationshaft wurden, dass den alten Menschen ihre eigene Entscheidungsfreiheit und damit ihre Würde genommen wurde.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass wir nicht mehr auf Parkbänken verweilen durften und dass Kinderspielplätze abgesperrt wurden, weil wir sonst sterben würden.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass wir nicht ins Krankenhaus gelassen wurden, wenn unsere Nächsten schwerkrank waren oder einen Unfall hatten, dass der Staat zwischen uns trat und es uns verbot, einander in schwierigen Zeiten zu begleiten, dass Menschen einsam starben in Krankenhäusern, wo ohnehin kaum noch Zeit für menschliche Zuwendung ist.

War da etwas? Ach, nun hör doch mal auf.

Ich vergaß beinahe, dass manche Kinder zu Hause in der Falle saßen, weil ihnen die Schule, der Hort, das Freizeitheim als sichere Orte genommen wurden, dass sie im Lockdown zu Hause unentwegt ihren Peinigern ausgesetzt waren, dass die Spuren der Gewalt und des Missbrauchs niemand mehr entdecken konnte, weil für den Staat nur noch ein Virus zählte und alles andere unwichtig wurde.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass Demonstrationen verboten wurden, dass Andersdenkende reflexartig als Nazis beschimpft wurden, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit monatelang außer Kraft gesetzt wurde und dass Demonstrieren als unsolidarisch gescholten wurde.

War da etwas? Wollen wir uns wirklich noch damit beschäftigen?

Ich vergaß beinahe, dass man als Mensch, der keine Maske tragen konnte, kriminalisiert und kollektiv gemobbt wurde, weil eine Maske jedem zuzumuten sei, wie manche entschieden hatten, weil die Ausnahmen von der Maskenpflicht nicht kommuniziert wurden und weil plötzlich das Hausrecht das höchste Recht in Deutschland zu sein schien. Ich vergaß beinahe, dass Ärzte, die ihren hippokratischen Eid erfüllten und Menschen, die keine Maske tragen können, ein Attest ausstellten, wie Schwerstkriminelle behandelt, verfolgt und verhaftet wurden.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass Freundschaften und Beziehungen zerbrachen, weil man mit Ungeimpften nicht mehr sein durfte, weil man mit ihnen nichts zu tun haben wollte, weil sie unsolidarische, asoziale Covidioten seien.

War da etwas? Nun hör aber wirklich mal auf. Die Nachrichten sind doch schlecht genug.

Ich vergaß beinahe, dass wir nicht mehr reisen durften, dass die Reisefreiheit eingeschränkt wurde und dass wir uns nur in einem bestimmten Radius unseres Wohnortes bewegen durften.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass es hieß, dass die Impfung der Weg aus der Pandemie sei, sie uns von dem Übel erlösen würde, dass sie vor Ansteckung und Weitergabe des Virus schützen würde und dass es unsere moralische Pflicht sei, uns impfen zu lassen – und dass das alles, wie sich später herausstellte, nicht stimmte.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass die Bundesregierung Videospots ins Internet stellen ließ, in denen behauptet wurde, ein Held sei nun, wer zu Hause auf dem Sofa säße, am Computer zocke und kalte Ravioli äße und dass es nie so einfach gewesen sei, ein Held zu sein – dass Helden die sind, die gehorsam allen Regeln folgen.

War da etwas? Also bitte, es reicht nun wirklich.

Ich vergaß beinahe, dass die Impfung nebenwirkungsfrei sein solle und dass die Regierung und die Medien vergaßen darüber zu berichten, dass Menschen durch die Impfung zu Pflegefällen wurden und dass ziemlich viele junge Menschen plötzlich und unerwartet starben, dass sie Lücken in ihren Familien hinterlassen haben, die niemand schließen kann.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass wir nicht mehr selber denken durften, weil wir sonst Querdenker waren, und das war dasselbe wie Nazis, Aluhutträger, Verschwörungstheoretiker und Covidioten, dass alles alternativlos war, dass alle Medien dasselbe schrieben, dass wir alle nur noch eine Meinung haben durften.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass sich Ungeimpfte von Politikern beschimpfen lassen mussten, dass wir eine Pandemie der Ungeimpften hätten, dass die Ungeimpften schuld seien, dass wir nicht alle Freiheiten wieder hätten, dass die Ungeimpften zum Abschaum der Gesellschaft gemacht wurden und dass niemand darüber öffentlich redete, wie brandgefährlich das ist.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass es verboten wurde Leichen zu obduzieren, um herauszufinden, ob sie wirklich an Corona starben, dass nicht geklärt werden durfte, ob die Impfung Ursache des Todes war, dass Impfschäden nicht gemeldet wurden.

War da etwas? Bitte, es reicht. Wer will das denn noch hören?

Ich vergaß beinahe, dass Kinder und Jugendliche Suizid begingen, weil sie einsam waren und es im Lockdown nicht mehr aushielten, weil ihnen der Sinn des Lebens verloren gegangen war.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass es uns verboten wurde, unsere Nächsten zu bestatten, gemeinsam auf eine Beerdigung zu gehen und zu trauern, weil der Staat nur wenige Menschen zuließ, dass die Hälfte der Familie die Bestattung auf einem Bildschirm verfolgen musste. Ich vergaß beinahe, dass angebliche Corona-Tote sofort nach ihrem Tod in einen schwarzen Sack gesteckt wurden, um sie dann als Sondermüll zu entsorgen.

War da etwas? Das will doch echt keiner hören.

Ich vergaß beinahe, dass die Meinungsvielfalt beerdigt wurde, das sog. Faktenchecker das Internet säuberten und alle Meinungen, die nicht dem öffentlichen Narrativ entsprachen, verschwinden ließen.

War da etwas? Wie lange willst du denn noch darüber reden?

Ich vergaß beinahe, dass Wissenschaft nicht mehr bedeutete, alle Möglichkeiten zuzulassen und zu durchdenken, offen und unvoreingenommen an etwas heranzugehen, sondern dass es nur noch die Wissenschaft gab, die in ihrer absoluten Forderung an ihr alternativloses Narrativ zu glauben, zu einer Religion erhoben wurde.

War da etwas? Meine Güte, das ist anstrengend.

Ich vergaß beinahe, dass uns als Menschen die Würde genommen wurde, dass wir zu Virenschleudern, zu verseuchter Materie degradiert wurden, ohne Seele und Geist.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass ich das Vertrauen verlor, in die Demokratie, in den Staat, die Gerichte, die Polizei, und neben mir viele andere auch.

War da etwas?

Ich vergaß beinahe, dass so viele einfach weitermachten, als wäre nichts, und das machten, was man von ihnen verlangte, dass sie nicht nachdachten, dass sie sich erpressen ließen und dass der Geschichtsunterricht völlig überflüssig gewesen war.

War da etwas?

Nee, da war nichts, schauen wir nach vorn und machen einfach weiter, als sei nichts gewesen. Wird schon.

 

 

© all rights by gyde callesen

Jede Vervielfältigung, ob analog oder digital, ist verboten.